ZKM | Museum für Neue Kunst, 17.09.2011 – 05.02.2012
 
Bani Abidi
* 1971 in Karachi (PK), lebt und arbeitet in Karachi und Delhi (IN)


Security Barriers A-L, 2008

Die Künstlerin Bani Abidi ist eine Wanderin zwischen zwei Kulturen. In Karachi, Pakistan, geboren und aufgewachsen, lebt und arbeitet sie heute in Delhi, Indien. Diese Tatsache nutzt sie für ihre humorvollen Arbeiten über die Dimensionen der kulturellen und politischen Differenzen und Ähnlichkeiten zwischen Pakistan und Indien sowie über die konfliktgeladene Grenzsituation. Mit ihrer Arbeit Security Barriers A-L untersucht Abidi Formen der politischen Manifestation staatlicher Gewalt und staatlichen Machterhalts und nationale Abgrenzungsstrategien mittels temporärer Architekturelemente.
In Form von zwölf Drucken katalogisiert Abidi die verschiedenen Modelle von Sicherheitsabsperrungen in ihrer Heimatstadt Karachi, die sie zunächst vor Ort fotografierte und später digital nachbearbeitete. Gefunden hat sie die unterschiedlichen Konstruktionen vor Botschaften, Konsulaten, auf Flughäfen und an Kreuzungen. Die in Dreierreihen angeordneten, klaren und scharf konturierten Vektorzeichnungen in leuchtenden Farben auf weißem Hintergrund wirken wie Objekte aus einem Hochglanzkatalog. Fast ist man versucht, eines dieser schönen Objekte, die in ihrer klaren Formensprache weiterhin als Absperrungen erkennbar bleiben, für den eigenen Vorgarten zu ordern. Erst die beigefügten Titel stellen den ursprünglichen Zusammenhang und die darin ausgedrückten Ein- und Abgrenzungsstrategien wieder her: Typ H zeichnet sich in Kontrast zu den anderen Zeichnungen durch einen allzu energisch vorgebrachten Ausdruck politischer Überlegenheit aus, während die blumengeschmückte Absperrung vor der British Deputy High Commission der ehemaligen Kolonie beinahe anbiedernd ausfällt. (KB)


…so he starts singing, 2000

In …so he starts singing, einer frühen Arbeit Bani Abidis, erzählt eine junge Frau enthusiastisch die Handlung von 26 Bollywoodfilmen nach. Aus den Filmplots, die in einem Interviewprojekt der Künstlerin mit ihrer damaligen, äußerst cinephilen Mitbewohnerin zur Sprache kommen, schnitt Abidi eine einzige, absurde Geschichte zusammen, die in nur dreieinhalb Minuten erzählt ist. Mit diesem Schnelldurchlauf wird das Phänomen Bollywood besser zusammengefasst als durch manch filmtheoretischen Einordnungsversuch: Der formelhafte Charakter – verärgerte Eltern stellen sich einem Liebespaar entgegen, Dreiecksbeziehungen verzögern das Zusammenfinden eines Paares, Bösewichte verhindern das Glück der Beteiligten – erlaubt es, klar formulierte und global verständliche Bildwelten zu schaffen. Auf nur eine einzige Erzählung reduziert, zeichnet sich das stereotypisierende Schema jedoch umso extremer ab.
Die Erzählerin der Arbeit steht dabei – nicht zuletzt durch ihren klar definierten Dialekt und die Einwürfe in Urdu, der Nationalsprache Pakistans – stellvertretend für ein lokales Publikum, das in den Sog der Bilder gerät, sich die Geschichten Bollywoods mit den von ihnen transportierten Bildern über Alltag, Mode und Liebe zu eigen macht und diese in der eigenen Lebenswelt situiert. Zugleich nivelliert die einfache melodramatische Erzählstrategie interkulturelle Hürden und schafft Anhaltspunkte für eine internationale Zuschauerschaft, die daraus ihre Vorstellungen von Lebensstil, Moralvorstellungen und Kultur am indischen Subkontinent ableitet. Abidi hat damit auch einen ironischen Kommentar über die Eindimensionalität global zirkulierender Bilder geschaffen, die immer noch Klischees verhaftet bleiben. (KB)

Abidi_so_he_starts_singing

Security Barriers A-L, 2008

Abidi_so_he_starts_singing

…so he starts singing
, 2000