Yto Barrada |
* 1971 Paris (FR), lebt und arbeitet in Tanger (MA)
Tectonic, 2004/2010 Die Künstlerin und Aktivistin Yto Barrada thematisiert in ihren Arbeiten das gegenwärtige Leben in ihrer marokkanischen Heimatstadt Tanger, die durch die geografische Lage in unmittelbarer Nähe der Grenze zu Europa geprägt ist. In Tanger versuchen täglich Menschen aus verschiedenen afrikanischen Ländern über die nur vierzehn Kilometer breite Meerenge auf das spanische Festland zu gelangen. Unter ihnen sind nicht nur Erwachsene, sondern auch sehr viele Kinder und Jugendliche, die sich mit der Hoffnung, aufgrund ihres Alters von einer möglichen späteren Abschiebung verschont zu bleiben, auf die gefährliche Reise machen. Als ungebetene Gäste verstecken sie sich häufig unter den Fahrgestellen von Touristikbussen und versuchen so, ungesehen die Straße von Gibraltar zu überqueren. Die Fotoserie Bus verweist mit Detailaufnahmen der Logos der Busunternehmen auf diese Abwanderung von Kindern und Jugendlichen aus Marokko und anderen afrikanischen Ländern, die in der Lage sind, die Logos der Busse als Wegweiser für ihre Destinationen zu lesen. Zugleich spannen die Fotografien – durch die Wahl der Bildausschnitte – den Bogen zur klassischen Moderne mit ihrer vermeintlich universellen Sprache der Abstraktion, was Fragen nach der Verstrickung von Kunst, (Neo-)Kolonialismus und gegenwärtigen geopolitischen Konflikten aufwirft. Die Arbeit Tectonic verdeutlicht ebenfalls das Anliegen, andere Bilder als die in den Massenmedien verbreiteten Darstellungen von Migration zu erzeugen. Für die Weltkarte aus Holz, auf der sich die Kontinente aufeinander zubewegen können, greift die Künstlerin das geologische Phänomen der Kontinentaldrift auf, wobei die Annäherung der Kontinente als Visualisierung eines Zukunftsentwurfs gelesen werden kann, in dem sich die naturalisierten Grenzen langsam auflösen und eine freie, unbeschränkte und nicht lebensbedrohliche Migration möglich wird. (HP) Bus, Tanger, 2004
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