ZKM | Museum für Neue Kunst, 17.09.2011 – 05.02.2012
 
Rasheed Araeen
* 1935 in Karatschi (PK), lebt und arbeitet in London (UK)


Golden Calf, 1987

Im Anschluss an die Pionierrolle, die Rasheed Araeen in der Minimal Art gespielt hatte, setzte er die Arbeit mit seriellen Anordnungen von Tafeln in seinem Werk fort. In Golden Calf und in der darauf folgenden Serie Green Painting geht der Künstler jedoch noch einen Schritt weiter und stellt monochrome grüne Tafeln und Siebdrucke massenmedial verbreiteter Bilder sowie traditionelle arabische Ornamente einander gegenüber.
In Golden Calf, einem frühen Beispiel von 1987, werden vier Andy-Warhol-Porträts von Marilyn Monroe mit vier in den Ecksegmenten platzierten Siebdruckfotos kombiniert, die offenbar eine Ansammlung trauernder Frauen zeigen. Die vier Marilyns sind um den Mittelpunkt des aus neun Tafeln bestehenden Werks angeordnet und darauf ausgerichtet. Dadurch wird der Blick der Betrachterinnen und Betrachter unmittelbar auf die zentrale Tafel gelenkt, auf der ein einzelner gefallener iranischer Soldaten zu sehen ist. Durch die Nahaufnahme erkennt man, dass er in seinem eigenen Blut liegt. Das Foto ist ein Zeugnis des Ersten Golfkriegs, der während der 1980er-Jahre stattfand, und erschien in einer iranischen Zeitung zusammen mit einem Artikel, in dem nicht nur der irakische Feind angegriffen, sondern auch die imperialistische Einmischung des amerikanischen Staats in die Weltpolitik kritisiert wurde.

Die direkte Gegenüberstellung von Marilyn Monroe, dem Inbegriff der amerikanischen Massenmedien, der Starkultur und des künstlichen Hollywood-Glamours, und der ungeschönten Realität des politischen Kriegs scheint auf den ersten Blick die Gleichgültigkeit der Kunstszene gegenüber den abgründigen politischen Gegebenheiten zu implizieren. Andererseits greifen die Monroe-Porträts aber auch Warhols Leitmotiv des Todes auf. Die westlichen Kunstfetische werden hier der harten Wirklichkeit der heutigen Welt gegenübergestellt. Dabei setzt Araeen die serielle Wiederholung von Bildern so um, dass jedes weitere Bild eine neue Bedeutungsebene eröffnet, was schließlich im Bild des gefallenen Soldaten kulminiert. Die im Westen gängige Verherrlichung toter Filmstars wird hier mit der Verherrlichung gefallener Soldaten als Kriegshelden im Iran, die von unzähligen trauernden Frauen verehrt werden, kontrastiert. Die beiden zentralen Protagonisten in diesem Werk werden über ihren Tod hinaus zu Kultfiguren. (AMB)


The Reading Room, 1979–2011, 2011

In The Reading Room wird den BesucherInnen der Ausstellung Gelegenheit geboten, sich u.a. mit dem in deutschen Bibliotheken selten vertretenen Kunstmagazin Third Text bekannt zu machen. Third Text wurde 1987 von dem Künstler Rasheed Araeen in London gegründet. Der Herausgeber hat mit dieser Zeitschrift, die sich anfänglich durch eine „Third World“-Perspektive auszeichnete (Untertitel: Third World Perspectives on Contemporary Art & Culture), den globalen Diskurs nachhaltig geprägt und ein Forum für AutorInnen geschaffen, die bis dahin von der westlichen Kunstszene ausgegrenzt worden waren. In den Themenbänden bietet das Magazin, das bereits mehr als hundert Ausgaben umfasst, ein reiches Spektrum heutiger Kunstwelten. Mit ihrer „kritischen Perspektive“, auf die im seit 1999 verwendeten Untertitel (Critical Perspectives on Contemporary Art & Culture) Bezug genommen wird, stellt die Zeitschrift auch Fragen nach den künftigen Aufgaben der Kunst zur Diskussion. Der Ausstellungsraum im ZKM wurde von Araeen so konzipiert, dass sich die intellektuelle Praxis, den Diskurs über Kunst in eigene Regie zu nehmen, auch als eine neue Form von künstlerischer Praxis erkennen lässt. (AB)

Araeen_GoldenCalf

Golden Calf
, 1987

The Reading Room

The Reading Room, 1979–2011
, 2011