ZKM | Museum für Neue Kunst, 17.09.2011 – 05.02.2012
 
Networks and Systems. Globalization as Subject

AFROs gegen Euros - Das Laboratoire Debérlinisation in Karlsruhe

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AFRO Edition 2011 des Laboratoire Debérlinisation für The Global Contemporary. © Mansour Ciss Kanakassy & Baruch Gottlieb

1991 unterschrieben 52 afrikanische Staaten den Vertrag von Abuja. Eine der Klauseln des Abkommens besagt: bis 2028 soll eine afrikanische Währungsunion vergleichbar mit dem Euro entstehen. So lange wollte das Laboratoire Debérlinisation nicht warten: Seit 2002 bringt die Berliner Künstler-Kombo Scheine der utopischen Währung eines vereinten und unabhängigen Afrikas in Umlauf – den AFRO. Mittlerweile zirkuliert das Kunstgeld auch in Karlsruhe. Ein Gespräch mit Baruch Gottlieb.

FS: Gemeinsam mit Mansour Ciss Kanakassy hast Du 2001 das Laboratoire Déberlinisation in Berlin gegründet. Ein wichtiger Bezug ist die Kongokonferenz der europäischen Kolonialmächte, die dort 1884/85 stattfand. Warum?

BG: Die auf der Kongokonferenz durch den afrikanischen Kontinent gezogenen Grenzen waren willkürlich, sind aber größtenteils bis heute gültig und hindern die AfrikanerInnen am ökonomischen, intellektuellen, kreativen Austausch untereinander. Mit dem Laboratoire problematisieren wir diese Lage, deswegen „Déberlinisation“. Man könnte auch „Entberlinisierung“ sagen, aber das klingt nicht gut auf Deutsch. (lacht)

FS: Mit dem AFRO kommuniziert Ihr die Idee eines wirtschaftlich unabhängigen Afrikas, in dem diese Grenzen keine Rolle mehr spielen. Die Scheine bringt Ihr über eine mobile Wechselstube unter die Leute. Gibt es Unterschiede in den Reaktionen auf das Projekt je nachdem, wo Ihr es zeigt?

BG: Die Unterschiede sind nicht so groß, besonders wenn wir das Projekt im öffentlichen Raum zeigen wie hier am Karlsruher Bahnhof. Dadurch, dass der AFRO aussieht wie Geld, hat fast jeder Interesse und die Gespräche sind immer ähnlich, ob wir mit ArbeiterInnen sprechen oder mit KunstsammlerInnen.

FS: Was wäre eine typische Frage, die euch gestellt wird?

BG: „Ist das echtes Geld?“, „Kann ich damit etwas kaufen?“ und selbstverständlich: „Wie viel ist das wert?“. Wir fragen dann: „Was denken Sie, was es wert ist?“. Afrikaner halten den AFRO oft für eine gute Idee. Die Hoffnung, dass Afrika über seine Werte und Bodenschätze selbst bestimmen kann, teilen die meisten von ihnen.

FS: Das Tauschangebot „AFRO gegen Euro“ erzeugt zunächst einmal zögern. Was schließt ihr daraus?

BG: Wenn man sich nur im Informations- und Sensationsfluss der so genannten posthistorischen Welt bewegt, vergisst man schnell, dass finanzielle Werte auf Materialitäten basieren. Die globalisierte Ökonomie braucht Rohstoffe, die irgendwo von irgendjemandem ausgegraben werden müssen. Auf dieser Ebene gibt es eine hartnäckige Lokalität. Deshalb sind Geldsysteme nicht einfach zu ändern. Unser Projekt konfrontiert unseren eigenen Utopismus mit dieser hartnäckigen Wahrheit.

FS: Das Projekt hat einen deutlich politischen Grundton, gleichzeitig haben Eure Performances ein groteskes Moment. Wie wichtig ist euch Humor?

BG: Wir bleiben im Diskursraum Kunst und im Bereich dessen, was Kunst bewegen kann. Wir verstehen uns nicht als Politiker. Aber Mansour und ich stammen beide aus Generationen, die durch eine sehr utopistische Politik geprägt sind – Mansour aus der Ära Léopold Sédar Senghor im Senegal und ich aus der Generation Pierre Trudeaus in Kanada. Wir haben erfahren, wie Politik die Welt zum Besseren verändern kann und inszenieren dies nun nachträglich durch die Kunst. Aber das ist nur eine Erfahrung, keine politische Bewegung – wir verkörpern diesen Idealismus, mit dem wir aufgewachsen sind. Deswegen gibt es vielleicht auch eine kindliche Leichtigkeit in der Arbeit, obwohl wir eigentlich mit sehr ernsten Themen arbeiten.

Ein Video zur Performance am Karlsruher Hauptbahnhof findet ihr hier. Informationen zu weiteren Projekten des Laboratoire Déberlinisation, etwa zur AFRO Express Card und zum Global Pass findet ihr in der Austellung und auf der Website des Projektes
 



 

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