Im Vorfeld der Athen Biennale richtete Geoffroy ein 'Biennalist Headquater' in Karlsruhe ein. © Thierry Geoffroy
Als die 3. Athen Biennale am 29.10.2010 über YouTube in einem Videospot ,What happens in Athens in October 2011?‘ fragte, war die krisengeschüttelte Zukunft des Landes kaum absehbar. Unter dem Titel Monodrome, griechisch für Einbahnstraße, plante das Kuratorenteam um Nicolas Bourriaud einen Film und eine Großaustellung, die das Athen der Gegenwart porträtieren sollte. Der französisch-dänische Künstler Thierry Geoffroy traute ihren Plänen nicht, adaptierte ihr Konzept und filmte zur Biennale selbst auf Athens Straßen. Rückblickend erzählt er, dass sich ihm eine Frage besonders aufdrängte: Scheitert das Zeitgenössische an der Gegenwart?
Die Presseerklärung von Monodrome titelt mit dem Bild eines Mannes auf einem Mofa, mit Helm und Mundschutz, im Hintergrund brennt es, vereinzelt sind Demonstranten auf der Straße zu sehen. Geoffroy schickt mir den Link über Facebook und erklärt über die Kamera seines Laptops: „Die Kuratoren konzipierten die Athen Biennale als Tool, um das Griechenland der Gegenwart verstehen. Die Presseerklärung gibt vor, dass die Biennale die aktuelle Krise und ihren globalen Kontext reflektiert - letztlich planten die Kuratoren aber eine Ausstellung zum Athen des letzten Jahrhunderts.“ Schillernde Phrasen im Marketing-Jargon aufzuspüren, auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und vor Ort mit kritischen Formaten zu konterkarieren ist Kern von Geoffroys Biennalisten-Projekten. „Ich wollte die Sprache und Regeln nutzen, die die Biennale vorgibt, deswegen habe ich selbst gefilmt. In meiner Kritik geht es mir primär um die Art und Weise, wie der Begriff des Zeitgenössischen verwendet wird. In meinem Verständnis bezeichnet der Begriff die Gegenwart, das hier und heute.“
Geoffroy nahm den Begriff also so ernst wie nur möglich: Er filmte tagsüber, schnitt die Videos nachts, um sie dann auf YouTube hochzuladen. „Ich habe versucht, eine bestimmte Geschwindigkeit einzuhalten, um wirklich Athen heute zu zeigen. Wenn man in diesem Tempo produziert, merkt man: Kunst schafft das nicht. Also warum hören wir nicht auf, vom Zeitgenössischen zu träumen und nennen, was wir tun, statt dessen Flohmarkt, Bibliothek oder Geschichte?“. Ihn habe der Kontrast interessiert, zwischen dem Athen, das die Biennale zeigen würde und dem, das ihm gegenwärtig war, als er vor Ort war. „Allerdings“, so sagt er lächelnd, „bekommen wir den Film der Biennale wahrscheinlich ohnehin erst in zwei, drei Jahren zu sehen.“. Auf Youtube sieht man Geoffroy mit Filmklappe und Tropenhelm im Gespräch mit griechischen Demonstranten - Monodrome startete am 14. Oktober, wenige Tage bevor die gewaltsamen Proteste gegen das Sparpaket das öffentliche Leben fast vollständig lahmlegten. Und so resümiert Geoffroy: „Die reale Situation in der Stadt hat mich mitgerissen, nicht die künstliche Repräsentation der realen Situation auf der Biennale.“
Mehr Videos aus dem Biennalist-Projekt in Athen sind hier zu finden. Mehr Informationen zu Geoffroy findet ihr auf seiner artist page.
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