Gaba, Meschac »Musée de l’Art de la Vie Active«. Performance in Karlsruhe, Germany, Sept. 2011. Video, 5:35 min. © ZKM
Im Museum sammeln sich die Spuren der Geschichte, tot und ein bisschen staubig. Nicht so in Meschac Gabas Musée de l’Art de la Vie Active (2010/2011). Frauke Schnoor war dabei, als der beninische Künstler die Ikonen der afrikanischen und europäischen Geschichte Seite an Seite durch Karlsruhe spazieren ließ.
Ein lebendes Museum, ein sich bewegendes Museum. Es posiert vor dem Stadtschloss, umkreist die Pyramide, es schlendert durch die Einkaufszone, es hält den Verkehr auf. „On ne reste pas“, wir pausieren nicht, sagt Meschac Gaba in bestimmenden Ton und marschiert der Perrücken-Parade des Musée de l’Art de la Vie Active voraus wie ein General. Fela Kuti, der berühmte nigerianische Afrobeat-Musiker, zieht in Form einer orangen Perücke in Saxophon-Form an mir vorbei, ihm folgt, etwas unsicher auf den Beinen, eine Ampel, deren Namensschild verrät, dass sie Garrett Morgan darstellt – jenen afroamerikanischen Erfinder, der 1922 die automatische Ampel patentierte. Was die bunte Perücke mit den Teletubby-Fühlern sei, frage ich Gaba. Perikles, sagt er. Perikles war Staatsmann im Athen der Antike und ist Gabas Stellvertreter für die Demokratie. Er habe kein universelles Zeichen für Demokratie gefunden, erläutert er, darum habe er selbst eines entwickelt.
„Vielleischt tun se sammle für Ruanda“ spekuliert eine Passantin in tiefstem Badisch, etwas irritiert von der afrikanischen Karawane, die so plötzlich und still durch ihren baden-württembergischen Alltag flaniert. Die Passanten stehen in den Eingängen der Cafés, kommen näher im Schlosspark, verfolgen die Parade nahezu schwebend auf den Rollen ihrer Sagways. „Lass mich dir ein bisschen zu den Symbolen erzählen“ sagt Gaba und zieht dabei die Stirn konzentriert in Falten. „Von 1974 bis 1990 hatten wir ein kommunistisches System in Benin, daher war Karl Marx und die sozialistische Ideologie Teil meiner Kindheit. Abraham Lincoln ist in der Installation, weil wir in meiner Schulzeit über ihn und die Abschaffung der Sklaverei gesprochen haben.“ Jede einzelne der kunstvoll geflochtenen Kunsthaar-Figuren sei ein Symbol für einen Moment, in dem seine Biografie auf die Geschichte der Welt trifft. Das Musée de l’Art de la Vie Active trage diese Geschichte aus dem Museum auf die Straße. Aber es ist die drückende Schwere der Perücken durch die der aufrechte Gang für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur harten Arbeit wird. Nicht auf den Schultern, wie sie es gewohnt wären, liegt ihnen die Last der Welt. Heute laufen sie in einer anderen Tradition. Als ich Gaba auf das Gewicht der Perücken anspreche, lacht er: „In Cotonou, meiner Heimatstadt, sagen die Leute: Alles, was man auf den Kopf heben kann, ist nicht schwer. Diese Tradition ist Teil meiner Arbeit. Wenn den Menschen hier das Gewicht Mühe macht, ist das, denke ich, eine psychologische Sache.“