Kwan, Will »Clocks That Do Not Tell the Time«, 2008. Installation view. Detail. © Will Kwan
Wenn es eine Idee gibt, die immer dort auftaucht, wo Globalisierung thematisiert wird, dann die, dass alles in Bewegung ist: ein steter Fluss von Menschen, Informationen, Waren und Kapital. Und zweifellos stellt sich die Frage, ob wir uns im Zeitalter der Echtzeit-Kommunikation das 'Jetzt' überhaupt noch vorstellen können.
Nicht wie Globalisierung unsere Gegenwart verändert, sondern wie sie verändert, was uns gegenwärtig ist, fragen Michael Bielicky und Kamila B. Richter in ihrer Netzkunst-Arbeit The Garden of Error and Decay (2010/2011). Wer den Garten betritt, an dem zieht das 'Jetzt' als Montage simultaner 'Zeitpunkte' vorbei: Eine düsterere Parade tanzender und sich überlagernder Pictogramme zieht über den Bildschirm. Jedes einzelne visualisiert ein in diesem Moment irgendwo auf der Welt über Twitter kommuniziertes Desaster. Nicht 'When is now?', sondern 'Where is now?' fragt der The Global Contemporary-Gastkünstler Will Kwan in einer seiner älteren Arbeiten. In Clocks That Do Not Tell the Time (2008) zeigen eine Reihe von Wanduhren, wie sie uns an Flughäfen und in Foyers verraten, wie spät es in New York, London, Tokyo und Berlin ist, die Uhrzeit in den Peripherien der globalisierten Welt: Schadstoffdeponien, Industrieparks, Militärstützpunkte. Indem Kwan an den Symbolen einer globalisierten Gegenwart dreht, fragt er, wessen Gegenwart die vermeidlich universale Einheit der neuen 'Weltzeit' repräsentiert. Ob die Beschleunigung, das allgewärtige 'höher, schneller, weiter' , vielleicht weniger ein Aufschwung ist als ein Absturz, fragt Hito Steyerl in ihrer Videoarbeit Free Fall (2010). Wir sehen eine Boing 707, Sinnbild der Welt als Transitzone, unkontrolliert fallen – nur bleibt unklar, ob wir den Crash schon hinter uns haben oder ob er noch vor uns liegt.
Kunst fragt nach der globalisierten Gegenwart, weil das Globale nie gegenwärtiger war als heute. Was uns von der utopischen Vision der ,einen Welt‘, wie sie in den 90er Jahren dominierte, heute noch bleibt, ist vor allem das Bewusstsein über die Relativität des individuellen 'Jetzt', ein ganz unkitschiger 'sense of coexistence'. Oder wie Terry Smith schreibt: „We are all in these times together (...) We are, in a word, contemporaries.“
Kommentare