ZKM | Museum für Neue Kunst, 17.09.2011 – 05.02.2012
 
Lost in Translation. New Biographies of Artists

Selbstbilder & Monologe

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Guy Ben-Ner »Drop the Monkey« 2009

Ein Beitrag von Antonia Marten

Immer häufiger thematisiert Kunst heute die Bedingungen ihrer eigenen Produktion und Rezeption mit. Für viele KünstlerInnen, die sich im internationalen Ausstellungszirkus bewegen, steht an erster Stelle eine Analyse ebendieses komplexen Beziehungsgefüges zwischen den Protagonisten, Plattformen und Institutionen der global vernetzten Kunstwelt. Daran schließt sich die Frage an, welche Rolle(n) man als KünstlerIn  innerhalb dieses Gefüges selbst einnimmt, um eben darin bestehen zu können, bzw. welche Auswirkungen sich hieraus auf die Verfassung heutiger künstlerischer Identität ergeben.

Mit seiner Arbeit Turista (1994) kommentiert der Belgier Francis Alÿs als einer der ersten, auf globaler wie lokaler Ebene agierenden Protagonisten der Kunstwelt seine eigene künstlerische Position als anwesender und doch außenstehender Beobachter der (mexikanischen) Gesellschaft. Gleichzeitig moniert er das regelmäßige Einfallen des internationalen Biennale-Jetsets in den ehemaligen Peripherien der Welt, ohne dass sich daraus automatisch eine nachhaltige Beschäftigung mit den politischen und sozialen oder den künstlerischen Bedingungen vor Ort ergäbe. Nicht zuletzt werden hier auch die prekären Arbeitsverhältnisse innerhalb der Kunstwelt selbst angesprochen, die diese produziert, um überhaupt am Laufen zu bleiben.

Mit einer einzigen Identität oder Rollenzuweisung scheint es gegenwärtig nicht getan. Vielmehr verlangen die vielfältigen Strukturen, Kontexte und kulturellen Realitäten, zwischen denen sich KünstlerInnen heute bewegen, ein hohes Maß an Flexibilität und Erfindungsreichtum, wie u.a. Tamy Ben-Tor in ihren treffsicheren Beobachtungen der Kunstwelt (The End of Art, 2006, Artist in Residence, 2005, Normal, 2006) zeigt – Darstellerin ihrer brabbelnden und monologisierenden, stereotypen Protagonisten der Szene ist dabei stets die Künstlerin selbst.

Immer wieder begegnen uns Projekte, in denen das Künstler-Ich als netzwerkender Nomade mit unterschiedlichen kulturellen Zuschreibungen oder Klischees jongliert, um sich einer eindeutigen Festschreibung zu entziehen. Es scheint sich geradezu im kakophonischen Dazwischen der Sprachen- und Perspektivenvielfalt eingerichtet zu haben. Während Erik Büngers Woody Allen (The Allens, 2004) zwischen seinen verschiedensprachigen Persönlichkeiten beinahe zu zerbersten droht und damit die schizophrene Verfassung des heutigen Subjekts zur Sprache bringt, agiert Nástio Mosquito (Europe, Africa, America, 2010) mühelos zwischen den unterschiedlichen Perspektiven eines Afrikaners, eines angolanischen Diasporakünstlers, eines politischen Aktivisten, eines postkolonialen Migranten oder der eines freien Individuums und Weltbürgers und bringt damit sein Gegenüber in die unbequeme Situation, die eigene, sicher geglaubte Position aufgeben zu müssen.

Schließlich verweist Guy Ben-Ner, der für die Produktion seiner Arbeit Drop the Monkey (2009) unzählige Male zwischen seinen Wohn- und Arbeitsorten Berlin und Tel-Aviv hin- und her jettet, auf die melancholische Verfassung des heutigen Künstler-Seins: „I WISH I WAS SOMEWHERE ELSE.“



 

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